Beschreibung
Mein Beitrag untersucht das babylonische Beschwörungsritual Maqlû (1. Jt. v.d.Z.) als Schnittpunkt zwischen literarischer Darstellung und Magiediskurs. Maqlû ist ein in keilschriftlichen Quellen zahlreich belegter Text aus dem antiken Mesopotamien (heute Irak) in akkadischer Sprache zur Bekämpfung von Krankheitssymptomen eines Patienten, die auf den Schadenzauber einer Hexe (Akkadisch kaššāptu) zurückgeführt wurden. Der Text umfasst fast hundert Beschwörungen verteilt auf acht Tafeln (Kapitel), gefolgt von einer neunten Tafel, der Ritualtafel, mit Handlungsanweisungen für den Exorzisten (Akkadisch āšipu), der mit der Heilung des Patienten beauftragt war.Die Beschwörungen artikulieren die Perspektive des verhexten Patienten. Als „ich“ appelliert der Patient an die Götter, über die böse Hexe zu richten und sie zu bestrafen, wodurch auch ihr Fluch aufgehoben werden soll. Die poetischen Merkmale dieser Beschwörungen, wie Parallelismus und Metaphern, sind nicht nur stilistische Elemente sondern tragen im emischen Verständnis mesopotamischer Magie wesentlich zur Effektivität der magischen Rede bei. In Anlehnung an Tambiahs Arbeit über die performative Rolle der Sprache in Ritualen lässt sich argumentieren, dass die poetische Struktur der Maqlû-Beschwörungen eine funktionale Rolle spielt. Sie verstärkt die magische Wirkung, indem sie eine rituelle Sprache schafft, die über die alltägliche Kommunikation hinausgeht und eine direkte Verbindung zu den göttlichen Mächten herstellt.
Indem sich der Patient im Narrativ der Beschwörungen als Opfer darstellt, das um göttliche Gerechtigkeit ersucht, schreibt er sich die Rolle des legitimen Akteurs zu, während die Hexe seine illegitime Gegenspielerin ist. Die Hexe in Maqlû ist als primär weiblich konstruierte Figur im Text stark von der patriarchalen Perspektive von Keilschriftschreibern und Exorzisten geprägt.
Anders als in den Beschwörungen mit dem Patienten als „ich“ liegt in der Ritualtafel der Fokus auf dem Exorzisten als Hauptakteur, den der Text als „du“ anspricht und anweist. Der Exorzist verklörpert die Authorität über Wissen und Expertise – und damit die Macht, Kommunikation mit den Göttern herzustellen und sie zum gewünschten Urteil zu bewegen.
Über den Text hinaus wird die Hexe im Ritual anhand von Figurinen, die rituell zerstört werden, materialisiert. Anhand dieser Figurinen können wir uns der Rolle von Objekten als Akteure im magischen Ritual annähern, die uns auch zu Überlegungen über die Schaffung ritueller Räume für die magische Praxis führen.
Sowohl auf der textuellen Ebene von Maqlû als auch in der historischen Perspektive zeigen sich Exorzisten, Keilschriftschreiber und Patienten (laut Quellenlage überwiegend männlich) als Träger des Diskurses, während die Hexe zwar eine zentrale Rolle in diesem Diskurs spielt, aber als Akteurin immer von den eigentlichen Diskursträgern konstruiert wird. Somit können wir Maqlû als Grundlage für Überlegungen zu Sprache, Wissen, Praxis, Gender und Macht im Magiediskurs des antiken Mesopotamien untersuchen. Ziel meines Beitrags ist es, Kolleg*innen aus anderen Philologien anhand konkreter Beispiele sowohl einen Überblick über mesopotamische Magie zu ermöglichen als auch neue Erkenntnisse im Bezug auf Magiediskurse in der Keilschriftliteratur zu präsentieren.
| Zeitraum | 16 Feb. 2024 |
|---|---|
| Ereignistitel | Studentische Tagung "Magiediskurse in philologischer Perspektive" |
| Veranstaltungstyp | Konferenz |
| Ort | Munich, DeutschlandAuf Karte anzeigen |
| Bekanntheitsgrad | International |
Schlagwörter
- Magie
- Diskurs
- Philologie
- Diskursanalyse
- Gender
- Mesopotamien
- Keilschrift
- Ritual
- Hexerei
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