Forschungsseminar - Forschungsdesign: Dekoloniale Stadterkundungen als Methoden und Vermittlungspraxis. Methoden in Bewegung im Machtraum Wien

Aktivität: Wissenschaftliche VeranstaltungenOrganisation von ...

Beschreibung

Innerhalb der letzten Jahre findet eine wachsende akademische Auseinandersetzung mit der Problematik der Dekolonisierung von Methoden bzw. Universitäten statt (Denzin/Lincoln/Smith 2008; Chilisea 2012; Decolonialty Europe 2013; Mbembe 2016; Santos 2016). In diesem Prozess wird die Universität als gesellschaftlicher Ort epistemischer Machtverhältnisse einer Kritik unterzogen, die sich auf die historischen Strukturen kolonialer Gewalt und die damit zusammenhängende Hierarchisierung und Exklusion von Wissen bezieht (Quijano 2000; Quijano 2007; Santos 2007; Grosfoguel 2015)
Nicht nur die Universitäten, sondern soziale Räume insgesamt sind von kolonialen Strukturen, rassistischen, klassenspezifischen, geschlechtsspezifischen, heteronormativen, epistemischen und anderen Herrschaftsverhältnissen konstituiert – und von den Widerständen gegen sie. Auch der soziale Raum der Stadt, den auch wir als Forscher*innen und Studierende an Universitäten in Wien alltäglich erfahren und herstellen, ist ein solcher Machtraum. Er ist geprägt durch sich überlagernde zeitliche Strukturen und Praktiken der Verfolgung, der Exklusion, der Ausbeutung und der Kämpfe dagegen. Er ist geprägt durch asymmetrische, hierarchische räumliche Praktiken, in denen bestimmte Gruppen privilegiert und handlungs- bzw. bewegungsfähig gemacht werden und andere gehemmt und ausgeschlossen werden.
Diese kolonialen Räume, Zeiten und sozialen Praktiken in Wien können nur durch eine dekoloniale Methodenpraxis identifizierbar und sichtbar gemacht werden. Dazu ist es notwendig, dass sich die Forscher*innen und ihre Körper selbst -in einer dekolonial reflektierten Beziehung zu ihrem Forschungsthema, ihrer Fragestellung, ihren Forschungspartner*innen- in die sozialen, räumlichen und zeitlichen Kontexte dieses Machtraums begeben, dass sie mobil werden und sich aus den Hörsälen herausbewegen. Wir wollen in diesem Zusammenhang mit den Teilnehmenden in einem gemeinsamen Prozess eine dekoloniale methodische Praxis entwickeln, die wir als dekoloniale Stadterkundung bezeichnen und die sich auf räumliche und zeitliche Bewegungen durch den urbanen Raum Wiens bezieht. Das betrifft sowohl die analytische Dimension (als kritische Bewegung in den Archiven, in der historisch gebauten Infrastruktur und ihren Macht- und Befreiungsverhältnissen, in den marginalisierten Zonen der Ausgeschlossenen, an den historischen Orten der Verfolgung und der Widerstände dagegen bzw. in den kolonialen Praktiken und Strukturen der Repäsentation, Markierung, Deportation etc.), als auch die Dimension einer angemessenen Vermittlung, einer Sichtbarmachung dessen, was in der hegemonialen und privilegierten Bewegung im städtischen Alltag unsichtbar und verworfen ist. Eine Stadterkundung bezieht sich auf diese beide Dimensionen: Auf die Herstellung von analytischen Einsichten und Beziehungen zu unterdrückten Wissens- und Bewegungsformen und auf die performative Praxis, konkrete Orte und Stationen im urbanen Raum als Orte der Macht, Unterdrückung und des Widerstands in die Zone der Sichtbarkeit zu holen, sie zu resignifizieren, ihren historischen Kontext klarzumachen bzw. die verändernde Kraft, die aus ihren sozialräumlichen Praktiken erwächst, zu stärken und sich mit dieser zu verbinden. Diese Sichtbarmachung historischer und gegenwärtiger Machtverhältnisse werden die einzelnen Arbeitsgruppen des Seminars in Form von performativen Spaziergängen durch die Stadt herausarbeiten, in Interaktion mit anderen Menschen in diesen Alltagskontexten (Partizipierende an diesen Rundgängen, aber auch einfache Passant*innen). Die so provozierte Irritation soll zur Reflexion und zur Veränderung dieser Strukturen beitragen.
Dekoloniale Stadterkundungen eignen sich die Praxis von Stadtführungen oder Stadtspaziergängen auf eine kritisch-befreiende Weise an, sie bewegen sich an der bzw. überschreiten die Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Praxis, künstlerisch-performativer Praxis und politischer Aktion und Intervention
Zeitraum6 Okt. 202119 Jan. 2022
VeranstaltungstypSeminar/Workshop
OrtWien, ÖsterreichAuf Karte anzeigen

Schlagwörter

  • Methode in Bewegung
  • Vermittlungspraxis
  • Decolonialism