Mehrsprachigkeit im Herzen Europas – Prag im 14. Jahrhundert

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Beschreibung

Der böhmische König Karl IV. (Karel IV., 1316–1378) war der Sohn von Johann von Luxemburg (Jan Lucemburský) und seiner Frau Elisabeth (Eliška) aus dem Geschlecht der Přemysliden. Ausgebildet in Paris, teils vom späteren Papst Clemens VI., beherrschte Karl bereits Tschechisch, Französisch, Deutsch, Italienisch und Latein, als er 1355 in Rom zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gekrönt wurde. Doch anstatt diese Stadt in ihrem alten Glanz zu erneuern, machte er Prag zur Hauptstadt des Reiches. Prag, damals bereits Zentrum des größten und am besten organisierten Staates in Mitteleuropa, der Böhmen, Mähren, Schlesien, die Oberpfalz, die Ober- und Niederlausitz sowie Brandenburg umfasste, wurde so zu einer der am stärksten florierenden Städte Europas. Die Volkszählung aus dem Jahr 1378 ergab mehr als 40,000 Einwohner, was Prag als die viertgrößte städtische Agglomeration nördlich der Alpen nach Paris, Gent und Brügge sowie flächenmäßig als die drittgrößte Stadt Europas nach Rom und Konstantinopel auswies. Prag war im 14. Jahrhundert nicht nur das politische Zentrum des Reiches, sondern auch eine kulturelle und intellektuelle Metropole mit der ersten Universität in Mitteleuropa östlich des Rheins und nördlich der Alpen. Ihre Magister und Scholaren waren in vier nationes geteilt: die böhmische (mit Böhmen, Mährern, Südslawen und Ungarn), die bairische (mit Österreichern, Schwaben, Franken und Einwohnern der Rheinprovinzen), die polnische (mit Schlesiern, Polen und Russen) sowie die sächsische (mit Einwohnern des Markgrafentums Meißen, Thüringern, Ober- und Niedersachsen, Dänen und Schweden). Ethnisch tschechische Studierende machten gerade mal einen Anteil von 16 bis 20% aller Studenten aus. Während dieser Zeit wuchs die Einwohnerzahl Böhmens und Mährens auf rund drei Millionen an, wobei ethnische Tschechen nicht mehr als 60% der Bevölkerung ausgemacht haben dürften. Rund ein Viertel waren Deutsche, die vor allem in den Grenzregionen lebten, aber auch in den Städten Prag und Brünn gab es wichtige Bürgergemeinden. Ebenso hatten in diesen Juden eine besondere Stellung. Sie sprachen nicht nur Hebräisch, sondern eine Variante des Alttschechischen, die von ihnen selbst in mittelalterlichen Texten oft als Knaanisch bezeichnet wurde. Darüber hinaus erneuerte Karl IV. mithilfe kroatischer benediktinischer Mönche bewusst die Pflege des Altkirchenslawischen. Ein Ausflug ins Prag von 1365 wäre sohin nicht nur ein kulturelles, sondern auch ein vielsprachiges Erlebnis. Im Rahmen der Präsentation konzentrierten wir uns daher auf zwei Aspekte der mehrsprachigen Situation im Prag des 14. Jahrhunderts. Einerseits stellten wir allgemein dar, welche Sprachen damals in welchen Kontexten verwendet wurden (samt Sonderfällen wie Knaanisch und Altkirchenslawisch). Andererseits beleuchteten wir die Interaktionen der am häufigsten benutzten Sprachen und illustrierten sie mit allgemein verständlichen Beispielen.
Zeitraum18 Sept. 2015
EreignistitelEuropa Linguarum 1365. Europa der Sprachen 1365 / Languages of Europe 1365
VeranstaltungstypKonferenz
OrtWien, ÖsterreichAuf Karte anzeigen