Beschreibung
Thomas Bernhard gilt als Enfant terrible, dessen Texten ihre Skandale bereits „als eigene Qualität zugewachsen“ (Schmidt-Dengler 1981, 148) sind. Seine polemischen Leserbriefe lassen sich dabei als Teil einer Medienkarriere (Billenkamp 2009) lesen, die mit dem von Pierre Bourdieu (1992) beiläufig verwendeten Begriff der posture (Meizoz 2005) erklärbar ist.Sein Spiel mit Kunst- und Meinungsfreiheit trieb Bernhard durch bewusst inszenierte Autorschaft (Götze 2014), die die Grenze zwischen Figurenrede und Selbstaussage verschwimmen ließ (Bayer 1997). So war es ihm möglich, ganze „Schimpfkanonaden“ (Schmidt-Dengler 1986, 131) zu publizieren, die im Verzicht auf Differenzierung und Argumentation – wenngleich auf ästhetisch ungleich höherem Niveau – mit Stammtischgesprächen oder Aschermittwochsreden vergleichbar sind (Wolf 2023).
Der Leserbrief ist eine der neun Textsorten der österreichischen Standardisierten Reife- und Diplomprüfung und als solche klaren formalen Kriterien unterworfen (BMBWF 2020, 14). Literatur- und mediendidaktisch gälte es fächerintegrativ zu analysieren, ob es sich bei Bernhard gattungstheoretisch um Leser- oder vielmehr offene Briefe handelt und inwiefern eine Nähe zum Social-Media-Posting gegeben ist. Die leitende rezeptionstheoretische Frage lautet dabei: Ändert sich die Lektürewahrnehmung und Textbewertung bei Kenntnis des Autors und seiner Bedeutung im literarischen Feld (im Sinne der posture)? Aus dieser Reflexion leiten sich alltagspraktische Interpretationsspielräume ab, die den Möglichkeitsraum von Kunst- und Meinungsfreiheit abstecken.
Zeitraum | 1 Juni 2024 |
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Ereignistitel | „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“: Fachwissenschaftliche und fachdidaktische Perspektiven auf ein wichtiges Grundrecht |
Veranstaltungstyp | Konferenz |
Ort | Kiel, DeutschlandAuf Karte anzeigen |