Eine ausführliche Untersuchung über das Schaffen Apostolo Zenos, eine Schlüsselfigur in der Librettistik zwischen dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert, ist von grundlegender Bedeutung für das Verständnis der Musikdramaturgie der Barockzeit. Das Forschungsprojekt gliedert sich in zwei Hauptpunkte, welche die kritische Ausgabe der drammi per musica und eine monographische Studie über den venezianischen Intellektuellen umfassen. Voraussetzung für eine Studie über die Auswirkung Zenos am Wiener Hof (1718‒1729) ist die Analyse der Entwicklung seiner Poetik in seiner Heimatstadt Venedig: Noch vor den ‚reformierten‘ Libretti Zenos und Metastasios ist in der Lagunenstadt ein pulsierendes kulturelles Klima zu beobachten, das zu gewissen Hybrid- Formen des Musiktheaters führt, wie die „pastorale eroica“, die „tragedia“ und „tragicommedia per musica“.
Laut einer traditionellen Meinung in der Forschungsliteratur hat sich am Ende des siebzehnten Jahrhunderts eine bemerkenswerte Reform des Opernlibrettos vollzogen, bei der ein Übergang von der spanisch-orientierten Dramaturgie zu einer adaptierten Nachahmung der Elemente des klassischen französischen Theaters zu beobachten ist. Die Protagonisten, welche in diesem Zusammenhang genannt werden, sind Zeno und Metastasio, beide stark mit der römischen Arcadia verbunden. Das Verfahren dieser ‚Reform‘ ist jedoch viel komplexer, da mehrere lokale Traditionen und einige individuelle Beiträge ein artikulierteres und abwechslungsreicheres Bild erkennen lassen. In diesem Zusammenhang werden auch die literarischen Modelle der reformierten dramatisch-musikalischen Genres sowie die Schlüsselrolle der literarischen Akademien in den venezianischen Territorien (Accademia dei Ricovrati, degli Incogniti, degli Imperfetti, etc.) berücksichtigt.
Der Übergang zum ‚reformierten‘ Libretto geschah nicht plötzlich; viele Charakteristika der drammi per musica des Settecento sind schon im Schaffen einiger Librettisten, die in Venedig am Ende des siebzehnten Jahrhunderts tätig waren (wie Aurelio Aureli, Girolamo Frigimelica-Roberti, Francesco Silvani und Adriano Morselli), zu finden. In diesem Zusammenhang wird die Zusammenarbeit zwischen Zeno und Pariati in das soziokulturelle Klima in Venedig zur Zeit der Jahrhundertwende und die Entwicklung seiner Poetik (vom teatro impresariale der venezianischen Zeit bis hin zum Hoftheater am Wiener Kaiserhof) analysiert. Um die Auswirkung Zenos am Wiener Kaiserhof zu erforschen, ist eine Recherche des poetischen Schaffens seiner Vorgänger wie z.B. Silvio Stampiglia (1664–1725) notwendig. Für einige Jahre teilte Zeno die Wiener Szene mit Giovanni Claudio Pasquini (1695‒1763; ab 1725 in Wien tätig, der sich hauptsächlich um die enkomiastische Dichtung kümmerte), in dessen Produktion der Einfluss Zenos und die gelungene Übernahme seiner Modelle ersichtlich sind. Große Aufmerksamkeit wird auf die Analyse der verschiedenen Merkmale der venezianischen Dramen Zenos im Vergleich mit den dem Wiener Hof verbundenen Aufträgen zu richten sein. Anhand der Analyse der Korrespondenz Zenos mit den einflussreichsten Intellektuellen der damaligen Zeit (Lettere di Apostolo Zeno […] Venezia 1752) wird darüber hinaus seine Figur als Gelehrter europäischen Rangs hervorgehoben.