Die syrisch-orthodoxe Gemeinschaft im Libanon (1918-1982)

Projekt: Forschungsförderung

Projektdetails

Abstract

In den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung werden die Christen im Nahen Osten vor allem mit den jüngsten Verfolgungen durch den „Islamischen Staat“ im Irak und Syrien sowie ihrer schwierigen Lage in Ägypten und der Türkei in Verbindung gebracht. Vor allem die syrisch-orthodoxen Christen – auch „Aramäer“ oder „Jakobiten“ genannt – erscheinen als besonders bedroht. Hinzu kommt, dass diese Gemeinde, die bis heute die Sprache Jesu, Aramäisch erhalten hat („Syrisch“), ein besonderer Nimbus umfasst. In der Tat fielen die Syrer Orthodoxen ebenso wie die Armenier und andere christliche Gemeinschaften dem Völkermord während des Ersten Weltkrieges zum Opfer. Weniger bekannt ist, dass viele der Überlebenden danach eine neue und oft erfolgreiche Existenz in den neuen Staaten Irak, Syrien, Libanon, Palästina aufbauten.
Dieses Forschungsvorhaben beschäftigt sich mit dem Wiederaufbau der syrisch-orthodoxen Gemeinschaft im Libanon, d.h. ihre Ansiedlung und Integration, vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zur israelischen Invasion während des libanesischen Bürgerkriegs (1918-1982). Dabei soll insbesondere die Frage nach deren Identität im Zusammenhang mit der Sprache untersucht werden. Der sprachliche Aspekt im Falle der Syrer-Orthodoxen ist nämlich besonders faszinierend, da, je nachdem wo sie vor 1914 lebten, Türkisch, Turoyo (neo-Aramäischer Dialekt), Kurdisch, Arabisch und/oder Armenisch sprachen. Im Libanon, wo sie eine von 18 offiziell anerkannten Religionsgruppen wurden, verwendeten sie zunehmend Arabisch und bemühten sich zugleich um eine Wiederbelebung der syrisch-aramäischen Sprache, welche zu jenem Zeitpunkt fast nur mehr im Gottesdienst verwendet wurde. Arabisch, das oft mit dem Islam assoziiert wird, diente somit der Integration im Libanon und paradoxerweise der Erhaltung des Syrischen.
Anhand der Frage nach der Sprache lässt sich auch deren Positionierung im neuen libanesischen Staat, in dessen politischen System, das auf einer Machtverteilung zwischen den größten christlichen und muslimischen Religionsgruppen beruht, sowie ihre Haltung gegenüber den unterschiedlichen christlichen und muslimischen Gemeinschaften im Libanon sowie im Zusammenhang mit den damaligen ideologischen Kräften – arabischer Nationalismus, militantes (maronitisches) Christentum, linke Bewegungen – aufzeigen. Dafür werden Quellen auf Arabisch, Syrisch und Französisch, die von der Gemeinschaft produziert wurden, wie Zeitungen, oder über sie berichten (Französische Mandat, libanesische Medien), anhand historischer, philologischer und sozialwissenschaftlicher Methoden untersucht.
Dieses Forschungsprojekt soll aufzeigen, wie der Wiederaufbau, die Identität und die Positionierung dieser Gemeinschaft und ihrer Mitglieder symptomatisch für die Formierung der modernen Nationalstaaten im Nahen Osten zwischen religiös-ethnischem Pluralismus und dem arabischen Nationalismus als Staatsdoktrin war.
StatusAbgeschlossen
Tatsächlicher Beginn/ -es Ende1/10/1930/09/22