Diskurse und Praktiken des In-Between

Projekt: Forschungsförderung

Projektdetails

Abstract

Das Projekt ist ein interdisziplinäres, transnationales Kooperationsprojekt, in dem Kulturanthropolog:innen und Historiker:innen aus Klagenfurt, Ljubljana und Koper zusammenarbeiten. Es beabsichtigt, das Dazwischen in der Alpen-Adria-Region von 1815 bis 1914 in Bezug auf die wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Tätigkeiten und die Sprachpraktiken von den damals lebenden Menschen in den drei Städten Klagenfurt, Ljubljana und Trieste zu erheben und zu analysieren. Zwischen diesen Städten gab es vielfältige kulturelle, wirtschaftliche und politisch-administrative Beziehungen. Der Freihafen von Trieste war ein gemeinsamer Bezugspunkt für Klagenfurt und Ljubljana. Klagenfurt bildete einen wichtigen Knotenpunkt für den Personen- und Warentransport aus den nördlichen Gebieten nach Krain (Ljubljana) und Trieste. Alle drei Städte waren Teil des Habsburgerreichs, durchliefen aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen Prozess der Nationalisierung. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Klagenfurt ein Teil Österreichs, Ljubljana wurde dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen zugeordnet, Trieste kam zu Italien. Die zwangsläufige Herausbildung von Nationalstaaten ist derzeit die dominante Erzählung der Geschichte der Alpen-Adria-Region. Das Projekt gründet demgegenüber auf der Annahme, dass der Prozess der Herausbildung der Nationalstaaten nicht eindeutig verlief. Es geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zu den jeweiligen Nationen häufig auch von einem Dazwischen, manchmal sogar von einer Gleichgültigkeit die als nationale Indifferenz bezeichnet wird geprägt war. Die Begriffe Dazwischen und nationale Indifferenz verweisen auf unterschiedliche Dimensionen des Alltags- und Arbeitslebens, die mit einer Zuordnung zu Nationalstaaten allein nicht erklärt werden können (z.B. Geschlecht, Sprache, Klasse, Religion). Sie finden ihren Niederschlag beispielsweise im Gebrauch mehrerer Sprachen, in transnationalen Handelsbeziehungen, in der gemeinsamen Freizeitgestaltung in Vereinen und in Verwandtschaftsbeziehungen über die Staatsgrenzen hinweg. Ziel des Projekts ist es, diese Entwicklungen nachvollziehbar zu machen und eine neue Geschichte der Alpen-Adria-Region zu erzählen, die bisher vor allem als eine für Mitteleuropa charakteristische Geschichte der Nationalisierung dargestellt wurde. Das Projekt will mit den Überlegungen zur nationalen Indifferenz auch einen Beitrag zu einem Schlüsselkonzept der Geschichtsforschung und der Sozialwissenschaften leisten. Konkret geht das Projekt am Beispiel der drei Städte Klagenfurt, Ljubljana und Trieste der Frage nach, welche Formen des Dazwischen gefunden werden können: (1) in Diskursen, die in zeitgenössischen Ethnographien verhandelt wurden, (2) in Praktiken, die im Vereinswesen und in Institutionen zu finden sind und die durch ihre kulturellen, sprachlichen, sozialen, religiösen und wirtschaftlichen Beziehungen geprägt waren, und (3) auf der Grundlage von unveröffentlichten Tagebüchern, Briefen oder Autobiografien von damals lebenden Personen.
StatusLaufend
Tatsächlicher Beginn/ -es Ende1/04/2331/03/26

Projektbeteiligte