Mit einem Gewicht von etwa der Masse eines Goldatoms ist das Topquark das schwerste bekannte Elementarteilchen. Es hat deshalb eine besonders starke Beziehung zum Higgs-Boson, durch dessen Wechselwirkung alle Elementarteilchen ihre Masse erhalten. Eine genaue Messung der Topquark-Masse ist deshalb von großer Bedeutung für das Standardmodell der Elementarteilchenphysik und auch für dessen Erweiterungen.
Die genauesten Messungen der Topquark-Masse basieren auf der Methode der ‘direkten Rekonstruktion’ und erreichen mittlerweile beim Large-Hadron-Collider (LHC) Messfehler von etwas der halben Protonmasse. Bei dieser Methode werden die Eigenschaften von Jets und Leptonen, die aus Zerfällen von Topquarks kommen, mit Berechnungen aus Monte-Carlo-Simulationsprogrammen (MCS‘en) verglichen, um daraus mit Hilfe einer Fitprozedur Messwerte für die Topquark-Masse zu erhalten. Diese MCS‘e bilden das Rückgrat aller experimentellen Messungen von physikalischen Größen am LHC, und es gibt ausgeklügelte Methoden, um die Messfehler zuverlässig abzuschätzen. Bei der Nutzung von MCS‘en für Messungen der Topquark-Masse, besteht jedoch ein zusätzliches Problem: Die Topquark-Masse ist gar keine physikalische Größe, sondern eine schemenabhängige und theoretische. Dieses Problem steht im Zusammenhang mit der Tatsache, dass Quarks zwar existieren, jedoch keine direkt beobachtbaren physikalischen Teilchen sind. Werte der Quark-Massen können also lediglich aus Vergleichen von experimentellen Daten mit theoretischen Vorhersagen, die in einem bestimmten Quark-Massen-Schema berechnet sind, gewonnen werden. In MCS’en ist diese Schemenabhängigkeit bislang noch nicht vollständig bekannt, wodurch eine zusätzliche Unsicherheit entsteht, deren Größe nur schwer abgeschätzt werden kann.
Das Ziel des beantragten Projekts ist, die theoretische Schemenabhängigkeit der Topquark-Masse in MCS’en für Observablen, die bei der direkten Rekonstruktions-Methode benutzt werden, zu analysieren und erstmals zu berechnen. Aus einer kürzlich erschienenen Arbeit für einfachere Event-Shapes ist bekannt, dass der Infrarot-Abschneideparameter der Parton-Shower-Algorithmen, die das störungstheoretische Herzstück der MCS’e bilden, diese Schemenabhängigkeit entscheidend bestimmt. Im Projekt sollen die Parton-Shower-Algorithmen für die oben erwähnten Observablen analytisch gelöst und dann mit neu entwickelten Faktorisierungs-Berechnungen, die den Infrarot-Abschneideparameter berücksichtigen, verglichen werden. Dadurch wird die störungstheoretische Komponente der Schemenabhängigkeit der Topquark-Masse in MCS’en für Observablen der Rekonstruktions-Methode erstmals umfassend zur Verfügung stehen. Zusätzlich werden auch nicht-störungstheoretische Korrekturen und Effekte der endlichen Lebensdauer des Topquarks in systematischer Weise beleuchtet.