Abstract
Das aktuelle Interesse an Phänomenen der Atmosphäre wie Wetter und Klima hat sich bislang vor allem auf die literarische Auseinandersetzung mit der frühen Meteorologie gerichtet. Der vorliegende Aufsatz schlägt eine wissenshistorische und ästhetische Erweiterung der Perspektive vor: ein Blick auf die sehr viel ältere, aber höchst wirkmächtige Tradition, Luft als Element zu verstehen. Von der antiken Medizin bis ins späte 19. Jahrhundert ist Luft – als Witterungsphänomen, lokales Klima oder Medium schädlicher Dünste – eine spürbare und intensiv wirksame Dimension von Umwelt, die auf Körper, Seelen und Gesellschaften einwirkt. Diese Tradition wird in der Moderne langsam verdrängt, überdauert aber in der Literatur. Während die Wissenschaften von der Atmosphäre die Luft entsinnlichen, bewahren literarische Texte ein Sensorium für ihre Qualitäten und Wirkmacht, das es neu zu entziffern gilt. Als Beispiel einer solchen meteorologischen Lektüre liest der Aufsatz Thomas Manns Novelle Der Tod in Venedig (1912) als einen Text, der sich exakt am Übergang von der alten Theorie der Luft als Element zu einem modernen Verständnis von Atmosphäre und Ansteckung situiert. In den Stimmungen und Witterungen, die der Text entfaltet, zeigt sich Luft als Resonanzraum und maßgeblicher Schrittmacher für Aschenbachs Untergang.
Titel in Übersetzung | Air as Element: Literature, Climate and Thomas Mann’s Death in Venice |
---|---|
Originalsprache | Deutsch |
Seiten (von - bis) | 353-375 |
Seitenumfang | 23 |
Fachzeitschrift | Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte |
Jahrgang | 95 |
Ausgabenummer | 3 |
DOIs | |
Publikationsstatus | Veröffentlicht - 2021 |
ÖFOS 2012
- 602014 Germanistik