Wiederholen, Verinnerlichen, Vereinzeln: Schreibende Selbstumschiffung bei Kierkegaard und Handke

Peter Handkes Erzählung Die Wiederholung (1986) und der gleichnamige „Versuch in der experimentierenden Psychologie“ von Kierkegaards Pseudonym Constantin Constantius (1843) teilen mehr als nur den Titel. Auf Basis einer genauen Darstellung der (durchwegs unterschiedlichen) Handlungsläufe wird die Reziprozität von erzählendem und erzähltem Ich als gemeinsames Dar-stellungsmerkmal fokussiert. Erfahrungen radikaler Vereinzelung – bei Kierkegaard die Verzweiflung, bei Handke der Sprachverlust – erweisen sich als Momente der Selbstwerdung, die sich nicht unmittelbar aussagen lassen, sondern auf indirekte Formen des Mitteilens angewiesen sind. Die darin sich spiegelnde Selbstbezüglichkeit jeder Form von Subjektivität erfordert wieder auf Seiten des Lesers und Interpreten eine Lektüre, die mit dem akademischen Anspruch auf Objektivität und Vergleichbarkeit bricht, um sich stattdessen als mitangesprochenes (und in seiner Identität fraglich werdendes) Selbst ins Spiel ziehen zu lassen. Beide Bücher erheischen, dass die Leser sich von ihnen ergreifen (erbauen) lassen; der allein kategorial beschreibende Zugriff geht fehl. Es gilt das Spiel mitzuspielen, wenn anders einem am Verständnis beider Bücher (und, so der Anspruch: seiner selbst) gelegen ist. Die Wiederholung, die nicht als Begriff definiert, wohl aber als Praxis schreibender Selbstaneignung vorgeführt wird, erweist sich als Katalysator, der aus Verzweiflung, Sprachverlust, Ohnmacht heraus und geläutert wieder zu Sinnen, Worten, Handlungen finden lässt.