Abstract
Kein Ereignis der letzten Jahre hinterlässt in der Erinnerung einen so tiefen und einschneidenden Bruch wie das Pogrom vom 7. Oktober 2023, bei dem mehr als 1200 Menschen – Frauen, Männer, Kinder und Alte, Juden, Christen und Muslime – starben, 5000 weitere schwer verletzt und 239 als Geiseln in den Gaza-Streifen verschleppt wurden, weil sie in Israel lebten. Die Brutalität des Massakers verweist auf die sprachlosen Grenzen unseres Verstandes, gerade weil es die Grundfesten unserer Zivilisation und unseres Lebens im Namen der Barbarei und des Todes gezielt zerbrochen hat. Dabei ist dieser (re-)traumatisierende Zivilisationsbruch deutlich damit verbunden, dass von den Terroristen gezielt sexuelle Gewalt an Frauen verübt wurde, weil sie Jüdinnen waren. Frauen, die indes lange auf ihre internationale Anerkennung warten mussten. Die Überlebenden warten nach wie vor darauf. Dass der 7. Oktober 2023 zutiefst mit dem Problemkreis von Geschlecht und Sexualität verbunden ist, stellt den Ausgangspunkt dieses Beitrags dar, der das Spannungsverhältnis von Feminismus und Antisemitismus auslotet. Dabei wird auch deutlich, dass der 7. Oktober einem nach wie vor den Atem nimmt und einen sprachlos werden lässt, weil Emotionalität und Empathie nicht einfach abgestreift werden können. In diesem Kontext geht es angesichts der manifesten aktuellen Formen des Antisemitismus auch um den (zweiten) Historikerstreit, in dem seit einigen Jahren aus unvorhergesehener politischer Richtung die Singularität der Shoah „multidirektional“ und intersektional infrage gestellt wurde und wird, was direkt mit dem grassierenden Revisionismus des 7. Oktober in Zusammenhang steht. Des Weiteren hat dieser Terroranschlag durch seinen eliminatorischen Antisemitismus die Erinnerung an die Shoah direkt angegriffen, um das schlimmste Trauma, dessen die Menschen sich erinnern können, nämlich die Vernichtung der europäischen Juden durch den Nationalsozialismus, zu wiederholen und zu intensivieren.
Original language | German |
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Title of host publication | Siebter Oktober Dreiundzwanzig. Antizionismus und Identitätspolitik |
Editors | Vojin Saša Vukadinović |
Publisher | Querverlag |
Publication status | Accepted/In press - 1 Apr 2024 |
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