Abstract
Der Text „Goethes Faust im Fokus seiner Kant-Lektüre“ begibt sich auf eine Spurensuche nach möglichen Einflüssen von Kant auf Goethe, spezifischer auf die Arbeit an seinem Opus Magnum Faust. Dabei verfolgt dieses Vorhaben erstens eine Skizzierung von Goethes frühen fremdvermittelten Begegnungen mit Kants Schriften und Ideen durch Herder, Jacobi und Reinhold bis zu seinen produktiven Auseinandersetzungen mit Schiller sowie Goethes eigener sorgfältigen Lektüre, die sowohl durch autobiographische Zeugnisse, als auch durch seine angestrichenen Ausgaben der Kritiken belegt ist. Um die hermeneutische Kluft zwischen Kants Einfluss auf Goethe und dem Schreiben am Faust möglichst gering zu halten, steht zunächst ein eng umrissener Textkorpus im Zentrum, dessen Entstehung in die Zeit von Goethes Kant-Lektüre fällt. Dies sind Szenen, die Goethe dem Faust. Ein Fragment (1790) für den Faust I (1808) erst nach seiner intensiven Beschäftigung mit Kants Kritiken hinzufügte. Zweitens wird der Faust auf kantische Elemente und Topoi hin gelesen. Eine Engführung, die notwendig spekulativen Charakter annimmt, aber im Zusammenhang mit der Interpretation von Goethes eigener Kant-Lektüre zu einigen aufschlussreichen Folgerungen gelangt, insbesondere was das Ende von Faust II betrifft.
Die Kombination dieser beiden Herangehensweisen führt zu den Wetten (zwischen Gott und Mephistopheles; zwischen Mephistopeles und Faust) als rahmende Handlungsstruktur und zu der Bestimmung Fausts als die Bestimmung des Menschen im Kontext von Kants Teleologieproblematik. Dabei gelangt der Text zu drei Elementen, die sich vornehmlich aus der Verbindung des Faust mit dem zweiten Teil der Kritik der Urteilskraft („Kritik der teleologischen Urteilskraft“), Goethes Hauptaugenmerk in den Kritiken, speisen: 1. Grenzbestimmungen bei Kant und Faust, 2. Fausts Ende als Bestimmung des Menschen als Endzweck, 3. Die Einlösung der Wette(n) als Kants Vermächtnis.
Mit der Verfolgung und Nachzeichnung der kantischen Ideen im Faust zeigt sich, dass dem Faust am Ende des Zweiten Teils durch die Besinnung auf die eigene Freiheit in einem kantischen Sinne die Wendung zum Moralisch-Praktischen gelingt. Faust jagt nicht mehr einer irdisch-sinnlichen Glückseligkeit (im Sinne Kants) hinterher, kann aber auch gleichzeitig die Frage danach, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, zurückweisen, indem er die kantischen Grenzziehungen akzeptiert. Die Einsicht in das Verhältnis von Natur und Freiheit resultiert aus der Unterscheidung von relativen Zwecken der (theoretischen) Erkenntnis und absoluten Zwecken der (praktischen) freien moralischen Tat, wodurch sich auch die Koordinaten der Wetten am Ende von Faust II, mit Kant gelesen, verschieben.
Die Kombination dieser beiden Herangehensweisen führt zu den Wetten (zwischen Gott und Mephistopheles; zwischen Mephistopeles und Faust) als rahmende Handlungsstruktur und zu der Bestimmung Fausts als die Bestimmung des Menschen im Kontext von Kants Teleologieproblematik. Dabei gelangt der Text zu drei Elementen, die sich vornehmlich aus der Verbindung des Faust mit dem zweiten Teil der Kritik der Urteilskraft („Kritik der teleologischen Urteilskraft“), Goethes Hauptaugenmerk in den Kritiken, speisen: 1. Grenzbestimmungen bei Kant und Faust, 2. Fausts Ende als Bestimmung des Menschen als Endzweck, 3. Die Einlösung der Wette(n) als Kants Vermächtnis.
Mit der Verfolgung und Nachzeichnung der kantischen Ideen im Faust zeigt sich, dass dem Faust am Ende des Zweiten Teils durch die Besinnung auf die eigene Freiheit in einem kantischen Sinne die Wendung zum Moralisch-Praktischen gelingt. Faust jagt nicht mehr einer irdisch-sinnlichen Glückseligkeit (im Sinne Kants) hinterher, kann aber auch gleichzeitig die Frage danach, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, zurückweisen, indem er die kantischen Grenzziehungen akzeptiert. Die Einsicht in das Verhältnis von Natur und Freiheit resultiert aus der Unterscheidung von relativen Zwecken der (theoretischen) Erkenntnis und absoluten Zwecken der (praktischen) freien moralischen Tat, wodurch sich auch die Koordinaten der Wetten am Ende von Faust II, mit Kant gelesen, verschieben.
Original language | German |
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Title of host publication | Verwandlungen |
Subtitle of host publication | Dichter als Leser Kants |
Editors | Violetta Waibel, Gabriele Geml, Philipp Schaller, Sarah Caroline Jakobsohn |
Place of Publication | Wien |
Publisher | V&R unipress, Vienna University Press |
Pages | 77-101 |
Number of pages | 25 |
ISBN (Electronic) | 978-3-8470-1527-7 |
ISBN (Print) | 978-3-8471-1527-4 |
DOIs | |
Publication status | Published - Mar 2023 |
Austrian Fields of Science 2012
- 603113 Philosophy
- 603101 Aesthetics
Keywords
- Kant
- Goethe
- Faust