Im Alter Sprachwelten entdecken. Sprachen sind auf mehreren Ebenen erlernbar – das Talent dafür ist auch genetisch veranlagt

Translated title of the contribution: Im Alter Sprachwelten entdecken. Sprachen sind auf mehreren Ebenen erlernbar – das Talent dafür ist auch genetisch veranlagt

Christine Czinglar (Interviewee), Susanne Maria Reiterer (Interviewee)

Publications: Other contribution to periodicalNewspaper/Magazine article

Abstract

Die Annahme, das Kinder eine Sprache schneller lernen als Erwachsene, weil ihr Gehirn formbarer ist, ist laut Susanne Reiterer vom Zentrum für Sprachenlern- und -lehrforschung an der Uni Wien veraltet. „Ältere Sprachlerner können Kinder sogar überholen, weil sie Vokabel schneller mit bisher Gelerntem verknüpfen und eine Sprache so schneller lernen können.“ Diese Beobachtung bestätigt auch Winklbauer vom Sprachen- zentrum: „Je mehr Sprachen jemand beherrscht, desto einfacher wird das Erlernen einer neuen Sprache.“ Das Gedächtnistraining durch eine neue Sprache hat im Alter auch gesundheitliche Vorteile: Eine Studie kanadischer Wissenschaftler zeigte, dass Alzheimer bei mehrsprachigen Menschen im Durchschnitt fünf Jahre später diagnostiziert wird. Der flexible Wechsel von einer Sprache zur anderen trainiere das Gehirn wie einen Muskel. In der Sprachlernforschung werden vier Ebenen unterschieden: Die Aussprache (Phonetik), das Vokabular (Semantik), die Struktur (Grammatik) und die soziale Ebene der Sprache (Pragmatik). Reiterer erklärt : „Manche äffen eine Sprache nach, aber nehmen es mit der Grammatik nicht so genau – das sind akustische Typen. Andere sind Systematiker und haben Vorteile in der Grammatik – sie können sich aber nicht flüssig unterhalten.“ Die sprachlich sozial Begabten sprechen mit Händen und Füßen, obwohl sie die Sprache nach linguistischen Kriterien gar nicht beherrschen. Nicht zuletzt ist das Sprachtalent laut Reiterer auch zu einem gewissen Teil eine Frage der genetischen Veranlagung, ähnlich der Musikalität. „Man kann eine Sprache üben, aber es ist auch ein bisschen vorgegeben wie talentiert man darin ist.“ Außerdem ergänzt Reiterer: „Mehrsprachigkeit wird oft gelobt, aber die Qualität wird übersehen. Wenn die Sprache nicht richtig gesprochen wird und ich kein Umfeld habe, wo ich das üben kann, wird mir das nicht viel bringen.“ Ein Problem, das Frau Langer durchaus bekannt ist – ihr Russisch übt sie großteils auf dem Papier. Die Beschäftigung mit der Sprache macht ihr trotzdem Spaß und sie denkt auch schon weiter: „Eine chinesische Sprache würde mich noch reizen.“ Schon Neugeborene können zwischen zwei Sprachen unterscheiden, wenn sie im Mutterbauch mit den Lauten vertraut gemacht wurden, fanden kanadische Forscher heraus. Dennoch ist die sprachliche Fähigkeit in den ersten Lebensmonaten universal, erklärt Christine Czinglar vom Institut für Sprachwissenschaft an der Uni Wien: „Japanische Kinder können zwischen dem R und dem L unterscheiden – später geht das verloren.“ Bevor sie anfangen zu sprechen, nehmen Kinder lange Zeit die Gespräche in ihrem Umfeld nur wahr und verstehen auch schon sehr viel. „Die Sprachentwicklung läuft bei allen Kindern systematisch gleich ab.“ Zwischen einem und eineinhalb Jahren produzieren sie die ersten Worte, bis es um das zweite Lebensjahr herum richtig losgeht: „Dauernd wird ein neues Wort aufgegriffen und verwendet. In dieser Zeit wird die Grammatik entwickelt.“ Wichtig ist die Qualität und die Quantität des sprachlichen Inputs – „fehlt das, vor allem in den ersten fünf Jahren, kann das später nicht kompensiert werden“. Das gilt besonders für Kinder, die zweisprachig aufwachsen. „Kommt der Input nicht rechtzeitig, ist es zu spät, um eine Sprache auf dem Niveau eines Muttersprachlers zu lernen.“ In der Frage, bis zu welchem Alter das möglich ist, gehen die Meinungen weit auseinander: „Optimal wäre es vor dem Alter von vier Jahren, doch auch Erwachsene können eine Sprache noch gut lernen.“
Translated title of the contributionIm Alter Sprachwelten entdecken. Sprachen sind auf mehreren Ebenen erlernbar – das Talent dafür ist auch genetisch veranlagt
Original languageMultiple languages
Specialist publicationKurier
Publication statusPublished - 2013

Austrian Fields of Science 2012

  • 503029 Language teaching research
  • 602040 Psycholinguistics
  • 602054 Comparative linguistics

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