TY - BOOK
T1 - Wie wird Erwachsenwerden erlebt?
AU - Hager, Barbara
PY - 2009
Y1 - 2009
N2 - In dieser Untersuchung stand eine vergleichende Analyse von gehörlosen und hörenden Emerging Adults im Vordergrund, um erstmals festzustellen, ob es bei Gehörlosen eine Übergangsphase zum Erwachsenwerden im Sinne des Konzeptes von Arnett (2001) gibt. Es zeigte sich, dass Gehörlose andere Erfahrungen in der Entwicklung machen als Hörende, weil sie in einer eigenen Sprache, der Österreichischen Gebärdensprache, kommunizieren und dadurch eine eigene Kultur entwickelt haben. Im empirischen Teil wurden 168 Testpersonen (70 Gehörlose und 98 Hörende) im Alter von 18 bis 29 Jahren mit einem Fragebogen konfrontiert, der auf der Basis der notwendigen Kriterien zum Erwachsenwerden nach Arnett (2001), dem IDEA-Verfahren von Reifman, Arnett und Colwell (2007) und dem subjektiven Erwachsenenstatus nach Arnett (2001) konzipiert wurde. Für Gehörlose wurde der Fragebogen auf Videos in Österreichischer Gebärdensprache, ihrer Erstsprache, aufgenommen. Mittels statistischer Verfahren konnten auffällige Unterschiede zwischen den zwei Gruppen ermittelt werden. Hohe Zustimmung als Kennzeichen für das Erwachsenwerden zeigen bei Gehörlosen die Kriterien der „Familienwerte“, jene traditionellen Werte, die eigentlich von der industriellen Gesellschaft stetig in den Hintergrund gedrängt werden. Damit verknüpft ist die subjektive Einschätzung des ‚Sich-erwachsen-Fühlens‘. Dies wurde von etwa 60% der Gehörlosen bejaht, während nur etwa 40% der Hörenden zustimmten, sich in diesem Status zu befinden. Im Gegensatz dazu zeigte es sich, dass die „modernen“ individualistischen Werte wie „Verantwortung übernehmen“ bei beiden Gruppen überraschenderweise eine gleich hohe Wertigkeit erreichten. Auch die fünf bestimmenden Merkmale der Entwicklungsphase Emerging Adulthood erlebten beide Gruppen mit nur einigen wenigen Unterschieden. Ähnlich verhält es sich mit Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung (Age of Possibilities), die beide Gruppe gleich intensiv erfahren, was jedoch im Gegensatz zu soziodemographischen Daten bei den Gehörlosen steht. Problematisch bleiben die Chancen zur Ausbildung, die 40% der Gehörlosen als unzureichend bewerteten. Diese angeführten Ergebnisse sind ein wichtiges Teilresultat der vorliegenden Untersuchung. Die Forschungsarbeit konnte beweisen, dass auch bei Gehörlosen eine Emerging Adulthood-Phase zu identifizieren ist, weshalb das Konzept von Arnett (2001, 2006a) in der Gehörlosenforschung Verwendung finden kann. Hilfreich dabei ist die Tatsache, dass gehörlose Heranwachsende das Alter von 18-30 als „Jugend“ bezeichnen und in dieser Phase eigene, von Jugendlichen und Erwachsenen getrennte kulturelle und sportliche Aktivitäten setzen. In der Zukunft sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Merkmale und Probleme der Übergangsphase von der Adoleszenz zum Erwachsenalter in Veranstaltungen zu präsentieren und in Beratungen zu verwenden, um das Verständnis für diesen Entwicklungsabschnitt zu verbessern und damit den Weg der jungen Menschen in die Selbstständigkeit zu unterstützen.
AB - In dieser Untersuchung stand eine vergleichende Analyse von gehörlosen und hörenden Emerging Adults im Vordergrund, um erstmals festzustellen, ob es bei Gehörlosen eine Übergangsphase zum Erwachsenwerden im Sinne des Konzeptes von Arnett (2001) gibt. Es zeigte sich, dass Gehörlose andere Erfahrungen in der Entwicklung machen als Hörende, weil sie in einer eigenen Sprache, der Österreichischen Gebärdensprache, kommunizieren und dadurch eine eigene Kultur entwickelt haben. Im empirischen Teil wurden 168 Testpersonen (70 Gehörlose und 98 Hörende) im Alter von 18 bis 29 Jahren mit einem Fragebogen konfrontiert, der auf der Basis der notwendigen Kriterien zum Erwachsenwerden nach Arnett (2001), dem IDEA-Verfahren von Reifman, Arnett und Colwell (2007) und dem subjektiven Erwachsenenstatus nach Arnett (2001) konzipiert wurde. Für Gehörlose wurde der Fragebogen auf Videos in Österreichischer Gebärdensprache, ihrer Erstsprache, aufgenommen. Mittels statistischer Verfahren konnten auffällige Unterschiede zwischen den zwei Gruppen ermittelt werden. Hohe Zustimmung als Kennzeichen für das Erwachsenwerden zeigen bei Gehörlosen die Kriterien der „Familienwerte“, jene traditionellen Werte, die eigentlich von der industriellen Gesellschaft stetig in den Hintergrund gedrängt werden. Damit verknüpft ist die subjektive Einschätzung des ‚Sich-erwachsen-Fühlens‘. Dies wurde von etwa 60% der Gehörlosen bejaht, während nur etwa 40% der Hörenden zustimmten, sich in diesem Status zu befinden. Im Gegensatz dazu zeigte es sich, dass die „modernen“ individualistischen Werte wie „Verantwortung übernehmen“ bei beiden Gruppen überraschenderweise eine gleich hohe Wertigkeit erreichten. Auch die fünf bestimmenden Merkmale der Entwicklungsphase Emerging Adulthood erlebten beide Gruppen mit nur einigen wenigen Unterschieden. Ähnlich verhält es sich mit Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung (Age of Possibilities), die beide Gruppe gleich intensiv erfahren, was jedoch im Gegensatz zu soziodemographischen Daten bei den Gehörlosen steht. Problematisch bleiben die Chancen zur Ausbildung, die 40% der Gehörlosen als unzureichend bewerteten. Diese angeführten Ergebnisse sind ein wichtiges Teilresultat der vorliegenden Untersuchung. Die Forschungsarbeit konnte beweisen, dass auch bei Gehörlosen eine Emerging Adulthood-Phase zu identifizieren ist, weshalb das Konzept von Arnett (2001, 2006a) in der Gehörlosenforschung Verwendung finden kann. Hilfreich dabei ist die Tatsache, dass gehörlose Heranwachsende das Alter von 18-30 als „Jugend“ bezeichnen und in dieser Phase eigene, von Jugendlichen und Erwachsenen getrennte kulturelle und sportliche Aktivitäten setzen. In der Zukunft sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Merkmale und Probleme der Übergangsphase von der Adoleszenz zum Erwachsenalter in Veranstaltungen zu präsentieren und in Beratungen zu verwenden, um das Verständnis für diesen Entwicklungsabschnitt zu verbessern und damit den Weg der jungen Menschen in die Selbstständigkeit zu unterstützen.
UR - http://othes.univie.ac.at/8461/
M3 - Buch
BT - Wie wird Erwachsenwerden erlebt?
ER -